Am 21. März 2016 trat, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, eine neue Richtlinie zu Immobilienkrediten in Kraft. Einiges hat sich geändert, anderes dagegen nicht. Doch was genau bringt diese für den Verbraucher? Sind diese jetzt besser geschützt? Schließlich geht es bei der Finanzierung der Immobilie um viel Geld.
Gut gemeint, aber schlecht gemacht
Bei der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie – so der vollständige Name – handelt es sich um europäisches Recht, welches die Bundesregierung in deutsches Recht umsetzten musste. Die Umsetzung der Richtlinie ist jedoch ein Beispiel dafür, wie gut gemeinte Regulierung übers Ziel hinausschießen kann. So ist zu befürchten, dass viele Deutsche das gewünschte Eigenheim oder dessen Renovierung nicht mehr finanzieren können – und zwar gerade jene, die es besonders nötig hätten: Durchschnittsverdiener und Rentner. Auch lässt der Schutz vor schwarzen Schafen in der Branche zu wünschen übrig.
Sachkundenachweis für Immobilienvermittler nicht weit genug gefasst
Die meisten Immobilien in Deutschland werden nicht von Maklern, sondern von anderen Immobilienvermittlern – oft Versicherungsvermittler oder Kapitalanlagenvermittler – an die Frau oder den Mann gebracht. Und das ohne einen Nachweis, dass diese ihr Geschäft auch beherrschen. Da wundert es auch nicht, dass sich viele schwarze Schafe auf dem Markt tummeln. Mit der neuen Immobilienkreditrichtlinie bestand die Chance, das zu ändern. Doch weit gefehlt. Dem ist nicht so. Lediglich gewerbliche Immobilienverwalter und Makler sollen zukünftig einen Sachkundenachweis erbringen. Für Makler, die noch nicht lange im Geschäft sind, bedeutet das Gesetz, dass sie ihren Sachkundenachweis nachreichen müssen – und zwar innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten. Eine Sonderregelung gibt es jedoch für alle Makler und Verwalter, die ihren Beruf schon mindestens sechs Jahre ununterbrochen ausüben. Diese benötigen auch in Zukunft keinen Sachkundenachweis. Das zumindest hat die Bundesregierung als neue gesetzliche Verordnung jetzt auf den Weg gebracht. Doch gerade diejenigen, die die meisten Immobilien vermitteln, wie eben Kapitalanlagenvermittler oder Versicherungsvermittler, sind hiervon nicht betroffen. Damit wurde eine Chance vertan, den Verbraucher besser zu schützen.
Höheres Risiko für Banken
Es sind vor allem zwei Dinge, die Immobilienkredite künftig erschweren. Zum einen müssen die Kreditgeber darauf achten, dass der Kunde den Kredit über die gesamte Laufzeit auch zurückzahlen kann. Das ist jetzt nicht neu, denn Banken waren auch bisher schon daran interessiert, dass der Kreditnehmer Zins und Tilgung leisten kann. Dadurch, dass es aber in einem Gesetzestext formuliert ist, steigt für die Banken das Risiko, selbst haften zu müssen, wenn der Kredit in der Zukunft ausfällt. Die Banken erhöhen deshalb die Hürden, an Geld zu kommen. Betroffen hiervon sind vor allem junge Familien. So berichtet der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR), dass im zweiten Quartal dieses Jahres die ostdeutschen Sparkassen 5,6 Prozent weniger Immobilienkredite an Privatleute vergeben haben als im ersten Quartal.
Nicht allein Wert der Immobilie ist ausschlaggebend
Negative Wirkung entfaltet auch eine zweite Bestimmung der Richtlinie. Danach dürfen sich Banken bei der Gewährung eines Kredits nicht mehr maßgeblich darauf stützen, dass der Wert der Immobilie die Höhe des Kredits übersteigt. Nicht einmal die Annahme, dass der Wert der Immobilie steigt, darf als Hauptargument für die Kreditwürdigkeit gelten. Das wird zur Folge haben, dass Verbraucher mit geringen Einnahmen ihre Kreditwürdigkeit verlieren, und zwar selbst dann, wenn sie in einer wertvollen Immobilie wohnen. Das betrifft vor allem Rentner, die zum Beispiel ihr Haus renovieren oder altersgerecht umbauen wollen.
Deutschland nutzt Ausnahmeregelung nicht
Dabei lässt die europäische Richtlinienvorgabe durchaus Ausnahmen zu: Wenn ein Kredit dem Bau oder der Renovierung einer Immobilie dient, darf ihr Wert mit angesetzt werden. Österreich ließ diesen Teil bei der Umsetzung der Richtlinie im Text, Deutschland aber strich ihn – mit der Folge, dass Banken den Wert nicht mehr einkalkulieren dürfen. Damit fällt für die Banken die Sicherheit weg, dass sich eine Immobilie, wenn alles den Bach runtergeht, verkaufen lässt und mit dem Geld der Kredit zurückbezahlt werden kann.
Die neue Richtlinie erschwert es, an Wohneigentum zu kommen
In der für Banken sehr angespannten Lage führt dies dazu, dass manche keine Risiken mehr eingehen. Sie werden dann wohl eher einen Kredit nicht gewähren, als hinterher für ihn haften zu müssen. Entstanden ist die Immobilienkreditrichtlinie unter dem Eindruck der Finanzkrise, hervorgerufen durch windige Immobilienfinanzierungen in den USA. Dort wurden kaum Sicherheiten verlangt, vertraut wurde allein auf Wertsteigerungen. Als diese dann nicht eintraten, platzte die Blase. Die EU wollte so etwas vermeiden. So ehrenwert das Ziel auch ist, berücksichtigt die Richtlinie aber nicht den Umstand, dass die Lage gerade in Deutschland mit der Situation in den USA nicht vergleichbar ist. Die Banken haben nicht leichtfertig Kredite vergeben, sie vertrauten nicht übermäßig auf Wertsteigerungen. Und zwar auch nicht in den Ballungsräumen wie Hamburg, München, oder im Rhein-Main-Gebiet, wo die Preise deutlich angezogen haben. So verwundert es auch nicht, dass der Immobilienverband Deutschland (IVD) Nachbesserungen bei der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie vom Gesetzgeber fordert.
Mehr Schutz bei Darlehensaufnahme
Aber nicht alles ist schlecht in der neuen Immobilienkreditrichtlinie. Es gibt auch Verbesserungen. So ist der Verbraucher bei der Darlehensaufnahme jetzt besser geschützt. Denn Immobilien-Darlehensvermittler sind dazu angehalten, regelmäßig ihre Sachkunde nachzuweisen und sich im Vermittlerregister der Industrie- und Handelskammer registrieren zu lassen. Daneben müssen diese außerdem über eine Berufshaftpflicht abgesichert sein. Allerdings wendet der deutsche Gesetzgeber die Anforderungen an die Sachkunde der Darlehensvermittler nicht für jene Vermittler an, die lediglich unentgeltlich bei der Darlehensaufnahme behilflich waren.
Kein Verkauf von Finanzprodukten zusammen mit Immobilienkredit
Besseren Schutz verspricht auch das Koppelungsverbot für den Kreditgeber. Mit Ausnahme von Riester- oder Bausparverträgen dürfen nun keine weiteren Finanzprodukte zusammen mit dem Immobilienkredit verkauft werden. In der Vergangenheit wurden günstige Darlehen gern mit nicht mehr so günstigen Versicherungspolicen gekoppelt – Lebens- oder Wohngebäudeversicherungen etwa. Das Widerrufsrecht der Kunden bei neu abgeschlossenen Immobilienkrediten wurde im Fall fehlerhafter Widerrufsinformationen zeitlich begrenzt auf eine Frist von maximal 12 Monaten und 14 Tagen.
Fazit: Die neue Immobilienkredit-Richtlinie ist gut gemeint, aber nicht gut umgesetzt. So richtig hilft sie niemandem. Im Gegenteil: Sie erschwert die Finanzierung eines Eigenheims für genau diejenigen, die es besonders nötig hätten. Gute Regulierung geht anders.
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